Sitzen ist fürn … Allerwertesten

Wie ein sitzender Lebensstil der Gesundheit schadet

Sitzen ist fürn ... Alterwertesten
© AndreyPopov / thinkstock.com

Während ein guter Chef der Garant für ein erfolgreiches Unternehmen ist, ist eine gute Sekretärin oder Assistentin dafür die Voraussetzung. Buchhaltung, Marketing oder Vertrieb, Personalverwaltung und Controlling: Sie sind die heimliche Strippenzieherin im Hintergrund. Bei Ihnen laufen alle Fäden zusammen. Und als wäre das nicht alles schon anstrengend genug, verrichten Sie diese Arbeit meist auch noch im Sitzen.

„Sitzen? Na und?“, mögen Sie jetzt denken. Tatsächlich jedoch birgt das eine große Gefahr. Denn um Ihr Arbeitspensum absolvieren zu können, müssen Sie körperlich und geistig topfit sein. Umso schwerer wiegt die Tatsache, dass Ihr Job häufig einen sitzenden Lebensstil nach sich zieht.

Das fängt im Büro am Schreibtisch an, geht weiter mit den Autofahrten von A nach B und führt bis zur Abendbeschäftigung auf dem heimischen Sofa oder mit Freunden beim Essen. Damit wird der Tagesablauf zum bloßen Wechsel von einer Sitzgelegenheit zur nächsten. Und das bleibt nicht ohne Folgen.

Sitzen und seine gesundheitlichen Folgen

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Schreibtischarbeit zu Rückenproblemen führt. Ein Drittel der Erwachsenen hat mit Beschwerden im unteren Rücken zu kämpfen; Tendenz steigend. Dabei sind Haltungsschäden und Rückenschmerzen jedoch „nur“ zwei von vielen Folgen, die ein sitzträchtiger Job mit sich bringt. Nicht ohne Grund wird Sitzen heutzutage von Experten als das „neue Rauchen“ bezeichnet. Tatsächlich gehen die gesundheitlichen Folgen unserer überwiegend sitzenden Lebensweise noch über die des Rauchens hinaus. Nicht nur sind deutlich mehr Menschen betroffen, auch die Bandbreite an gesundheitlichen Folgeerscheinungen ist verheerend. Hierzu zählen:

  • Rückenbeschwerden
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Stoffwechselstörungen
  • psychische Probleme
  • Müdigkeit und Antriebslosigkeit
  • erhöhte Sterblichkeitsrate

Das Hauptproblem bei einem überwiegend sitzenden Lebensstil besteht vor allem darin, dass unser Körper nicht dafür geschaffen ist. Im Gegenteil, unser Körper braucht Bewegung – und das nicht zu knapp –, um gesund zu bleiben und seine volle Leistungsfähigkeit ausschöpfen zu können. Auch heute noch ist unser Körper mit dem genetischen Programm unserer steinzeitlichen Vorfahren ausgestattet. Dieses wurde über mehr als 200 000 Jahre lang durch eine überaus aktive Lebensweise geprägt.

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Unser höchstes Gut –
Wie wir unsere Gesundheit am Arbeitsplatz erhalten können

Warum Sport nur die halbe Miete ist

Lange Zeit ging man in Forschung und Praxis davon aus, dass 150 Minuten moderate bis intensive körperliche Betätigung pro Woche ausreichen würden, um die Gesundheit zu erhalten. Das entspricht etwa 20 Minuten pro Tag und stellt damit einen Bruchteil der Wachzeit von rund 16 Stunden dar. Tatsächlich ist dieses geringe Maß an Bewegung nach aktuellem Erkenntnisstand keineswegs ausreichend, um einen ansonsten sitzenden Lebensstil zu kompensieren. Vielmehr profitiert unser Körper von jeder Bewegung mehr, die wir ihm ermöglichen. Das Entscheidende dabei ist, Bewegung als Kontinuum zu verstehen.

In den Köpfen vieler ist noch immer Sport die einzige Art gesundheitsförderlicher körperlicher Betätigung. Von diesem Glaubenssatz können wir uns allerdings verabschieden. Denn Bewegung kann in unzähligen Bereichen und Abstufungen stattfinden: vom einfachen Spazierengehen über Hausarbeit oder das Spielen mit den Kindern bis hin zu Mannschaftssport und Fitnesstraining. Gerade die Alltagsaktivität wird häufig unterschätzt und bietet viel Potenzial, um die eigene Gesundheit zu verbessern. Im Endeffekt zählen jeder Schritt und jede Minute, die wir nicht im Sitzen verbringen.

Buchtipp:

Dr. Vivien Suchert: Sitzen ist fürn Arsch
Warum die sitzende Lebensweise unsere Gesundheit gefährdet und was wir dagegen tun können, Heyne Verlag 2017.

Wie wir mehr Bewegung in den Alltag bringen

Wenn es um das Sitzen und seine gesundheitlichen Folgen geht, sollten wir versuchen, die Gesamtsitzdauer zu verringern und lange Sitzperioden häufiger zu unterbrechen. Doch wie kann es in einer auf das Sitzen ausgelegten Gesellschaft gelingen, das eigene Leben aktiver zu gestalten?

Aus den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen lassen sich noch keine „harten Zahlen“ ableiten, wie viel Sitzen noch vertretbar ist und ab wann die Gesundheit gefährdet wird. Dennoch ist mit Sicherheit zu sagen, dass die meisten Menschen in modernen Gesellschaften gesundheitlich profitieren, wenn sie die Zeit, die sie insgesamt pro Tag im Sitzen verbringen, verringern. Für Sekretärinnen und Assistentinnen stellt der Arbeitsplatz vermutlich die größte Sitzfalle und auch Hürde dar. Beim Versuch, mehr Bewegung in den Büroalltag zu bringen, sehen sie sich vielen starren Strukturen und festen Gegebenheiten gegenüber. Dabei gibt es gute Wege, selbst aktiv zu werden.

Lange Sitzperioden häufiger unterbrechen

Im Berufsalltag von Sekretärinnen und Assistentinnen lassen sich Arbeitsphasen im Sitzen meist nicht vermeiden. Achten Sie hierbei nicht nur darauf, möglichst abwechslungsreich zu sitzen, sondern auch darauf, das Sitzen am besten jede halbe Stunde, mindestens aber jede Stunde mit fünf bis zehn Minuten Aktivität zu unterbrechen. Hierfür lassen sich beispielsweise Bewegungspausen mit gezielten Übungen zur Aktivierung und Entlastung des Rückens integrieren. Die Alarmfunktion im Mobiltelefon oder auch eine handelsübliche Eieruhr kann helfen, sich an die notwendige Bewegungspause zu erinnern.

Weniger sitzen im Büro

Stehtische bzw. höhenverstellbare Tische sind eine hervorragende Möglichkeit, die Arbeit am Computer oder andere Büroarbeiten statt im Sitzen aktiver im Stehen zu verrichten. Wechseln Sie hierbei Phasen im Sitzen mit Phasen im Stehen und anderen aktiven Unterbrechungen, wie etwa Bewegungspausen oder einem Spaziergang, ab. Noch besser wären sogar Laufbandtische, die allerdings in der Anschaffung teurer sind. Auch kleine Meetings und Besprechungen können häufig ohne Probleme im Stehen oder Gehen abgehalten werden. Nutzen Sie zudem Ihre Mittagspause für einen Spaziergang an der frischen Luft. Das ist die beste Möglichkeit, den Kopf freizubekommen und neue Konzentration für die zweite Tageshälfte zu gewinnen.

Weniger sitzen in der Freizeit

Der sitzende Lebensstil beschränkt sich bei vielen leider nicht nur auf das Büro. Auch im privaten Alltag gilt es, Sitzzeiten gezielt zu reduzieren – vor allem, wenn man ohnehin einen sitzreichen Job hat. Lassen Sie daher häufiger das Auto stehen und legen Sie kürzere Strecken stattdessen mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurück. Wenn Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, kann man gerade in der Stadt sehr gut eine Haltestelle eher aus- bzw. früher einsteigen. Und auch wenn das Auto unverzichtbar ist, können Sie das Bewegungskonto füllen, indem Sie einfach etwas weiter entfernt vom Zielort parken. Neben sportlichen Aktivitäten in der Freizeit können Sie auch Treffen mit Freunden hervorragend aktiver gestalten. So lässt sich der Kaffeeklatsch mit der Freundin problemlos mit einem Coffee to go und einem Spaziergang oder die Lieblingsserie im Fernsehen mit einem Training auf dem Ergometer zu Hause kombinieren.

Regelmäßige Bewegungspausen sind auch auf langen Reisen mit dem Auto relevant. Hierbei ist es sinnvoll, regelmäßig auf Rastplätzen haltzumachen, um nicht nur Ihren Augen und Ihrer Konzentration, sondern auch Ihrem Körper eine wohlverdiente Pause zu gönnen. Zu Hause können beispielsweise Werbeunterbrechungen im Fernsehen für kleine Bewegungspausen genutzt werden.

Auch wenn es schwerfällt, versuchen Sie, so viel Bewegung wie möglich in Ihren (Berufs-)Alltag zu bringen. Brechen Sie mit den zum Teil bequemen Gewohnheiten und schaffen Sie neue. Dabei zählt jeder Schritt, so klein er auch sein mag. Je aktiver Sie Ihren Tag gestalten, desto fitter werden Sie, körperlich sowie geistig. Damit fällt Ihnen nicht nur die Arbeit leichter, sondern Sie haben auch mehr Energie in Ihrer Freizeit. ¶

Die Autorin Dr. Vivien Suchert ist Gesundheitspsychologin, Buchautorin, Referentin und Bloggerin.