Urlaubsrecht in Corona-Zeiten

Urlaubsanspruch in Corona-Zeiten

Die Corona-Pandemie hat Deutschland fest im Griff. Das öffentliche Leben ist nahezu lahmgelegt. Es handelt sich um eine ernste Situation, die unsere Gesellschaft über Monate herausfordern wird. Im Berufsalltag stellen sich momentan viele Fragen – gerade auch bezüglich der Urlaubsansprüche, -planung und Rückkehr aus den Ferien. Unsere Rechtsexpertin Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa hat für Sie die wichtigsten Fragen beantwortet:

Corona nach der Urlaubszeit

Manche Urlauber sind schon zurückgekehrt, andere kommen noch zurück – auch aus dem Ausland –und werden ihre Arbeit wieder aufnehmen. Damit stellt sich in den Betrieben die Frage, wie man damit umgeht, wenn Risikogebiete oder Länder, für die eine Reisewarnung vorliegt, besucht wurden. Derzeit gilt, dass Personen, die aus dem Ausland einreisen und sich innerhalb von 14 Tagen vor Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sich unverzüglich nach der Einreise für einen Zeitraum von 14 Tagen in häusliche Quarantäne begeben müssen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat eine Liste der internationalen Risikogebiete angelegt.  Kommt ein Kollege z.B. aus der Türkei, den USA oder aus Ägypten zurück, muss er für 14 Tage in Quarantäne.

Risikogebiet besucht

Eine Urlaubsreise in eines der Länder, die als Risikogebiet gelten und zur anschließenden Quarantänepflicht führen, wirkt sich auch auf das Arbeitsverhältnis aus. Der Arbeitgeber hat hier klare Pflichten: Er muss die Arbeitnehmer vor einer Ansteckung durch erkrankte Arbeitskollegen und vor einer Infektion schützen. Er hat alles Zumutbare zu tun, um Risiken für die Beschäftigten abzuwenden. Nach Einreise aus einem Risikogebiet hat der Arbeitgeber die Pflicht dafür zu sorgen, dass die Quarantäne umgesetzt wird. Hierfür kann er z.B. einseitig das Arbeiten im Home-Office anordnen. Ist ein Arbeiten zu Hause nicht möglich, entfällt der Lohnanspruch – das sollte jedem Mitarbeiter klar sein. In Betracht kommt dann nur noch eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Aber: Begibt sich ein Arbeitnehmer bewusst in ein vom RKI als Risikogebiet ausgewiesenes Land, sollte er damit rechnen, dass der Anspruch unter dem Aspekt „selbst schuld“ abgelehnt wird.

Außerdem kann der Arbeitgeber nur vor Risiken schützen, die er kennt. Deshalb ist es ihm gestattet, Arbeitnehmer zu befragen, ob der Urlaub in einem Risikogebiet verbracht wurde und wenn ja, wo genau das der Fall war. Datenschutzvorbehalte gibt es hier nicht. Aber Achtung: Corona rechtfertigt nicht jede neugierige Frage, sondern nur die, die zur Risikobestimmung erforderlich sind.

Rückkehr aus einem Land mit Reisewarnung

Aktuell warnt das Auswärtige Amt generell vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland. Ausgenommen davon sind die meisten Länder der EU, die Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein und Großbritannien. Besteht für ein Land eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts, ist es aber kein Risikogebiet im Sinne des RKI, muss sich der Arbeitnehmer in der Regel nicht in Quarantäne begeben. Aktuell gibt es ein solches Land nicht. Sollte sich das ändern, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht nach Hause schicken und das Homeoffice anordnen, wenn der Mitarbeiter damit nicht einverstanden ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Mitarbeiter Covid-19-Symptome aufweist oder der Betriebsfrieden leidet, weil z.B. die Arbeitskollegen Angst vor einer Infizierung haben. In einem solchen Fall könnte der Arbeitgeber das Homeoffice anordnen, weil sein Interesse an einer Anordnung dem Interesse des Arbeitnehmers, in den Betrieb zu kommen, überwiegt.

Was ist im Betrieb zu tun?

Besteht die Möglichkeit für ein Homeoffice, kann man schon vor Beginn einer Reise eine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitnehmer treffen – ganz gleich, ob er in einem Risikogebiet war oder nicht. Außerdem bieten sich Aushänge im Betrieb an oder eine Bekanntmachung im Internet. Nutzen Sie dafür die Liste des RKI, die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes und die jeweilige Einreiseverordnung Ihres Bundeslandes bzgl. der Quarantänepflicht. Weisen Sie auch darauf hin, dass Arbeitnehmer während der Quarantäne keinen Anspruch auf Lohnzahlung haben, sondern nur ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz in Betracht kommen kann.

Kann der Arbeitgeber Urlaub anordnen?

Arbeitnehmer können darüber entscheiden, wann und wie lange sie Urlaub in Anspruch nehmen, wenn dabei das Bundesurlaubsgesetz und die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen berücksichtigt werden. Zwangsurlaub ist nur bei dringenden betrieblichen Belangen gerechtfertigt. Diese liegen aber nicht bei jeder Art von Unternehmenskrise vor. Ein Auftragsmangel, Umsatzrückgang oder Auslastungsprobleme führen noch nicht dazu, dass Ihr Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen darf. Führt die unvorhergesehene betriebliche Corona-Krise aber zu einer angeordneten Betriebsschließung oder zu einem dramatischen Rückgang der Auftragslage, der die Existenz des Betriebs gefährdet, dann wird es möglich sein, dass Urlaub angeordnet wird. Schließt der Arbeitgeber seinen Betrieb freiwillig oder fährt er nur die Leistung herunter, dann ist Zwangsurlaub keine Option.

Sie können Ihren Arbeitgeber bitten, die dringenden betrieblichen Gründe für einen Zwangsurlaub darzulegen. Eine Verpflichtung dazu gibt es aber nur in einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

Wie viel Zwangsurlaub ist erlaubt?

Hier kann man nur auf die bisherige Rechtslage zurückgreifen, da es einen coronabedingten Zwangsurlaub noch nie gegeben hat. Bisher galt, dass ein Arbeitgeber bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe bis zu drei Fünftel des Jahresurlaubs einseitig anordnen dürfen. Bei 30 Tagen Jahresurlaub könnten also 18 Tage Zwangsurlaub angeordnet werden. Allerdings dürfen Sie als Arbeitnehmerin nicht gezwungen werden, Ihren gesamten Jahresurlaub zu nehmen. Zwei Fünftel müssen mindestens zur freien Verfügung bleiben.

In Corona-Zeiten wird diskutiert, ob der Urlaub zur freien Planung auch die Hälfte oder mehr des Jahresurlaubs ausmachen muss. Grund dafür ist, dass beispielsweise Eltern freie Tage für die Betreuung der Kinder benötigen, wenn Schule oder Kita geschlossen sind.

Darf Zwangsurlaub von heute auf morgen angeordnet werden?

Grundsätzlich nein. Eine angemessene Ankündigungsfrist von fünf bis 14 Tagen sollte eingehalten werden. Aber: Man kann davon ausgehen, dass in der aktuellen Krisenlage die Gerichte bei angeordnetem Zwangsurlaub auch kürzere Ankündigungsfristen akzeptieren werden.

Hinweis
Gibt es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat, so ist dieser nicht nur bei den Betriebsferien, sondern auch beim Zwangsurlaub zu beteiligen.

Kann der Chef für einzelne Mitarbeiter Ausnahmen vom Zwangsurlaub machen?

Ja, wenn das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt, den eigenen Urlaub zu einem anderen Zeitpunkt zu nehmen. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Urlaub aufgrund von Pflege- oder Krankheitsfällen in der Familie oder Betreuung von Kindern anderweitig geplant werden muss. Die Gründe des Arbeitnehmers könnten in einem solchen Fall schwerer wiegen als die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Allerdings muss hier immer der Einzelfall genau geprüft werden.

Kann genehmigter Urlaub widerrufen werden?

Genehmigt ist genehmigt: Haben Sie Ihre Urlaubstage beantragt und diese wurden genehmigt, sind beide Parteien an die Festlegung des Urlaubs gebunden. In Corona-Zeiten sollten Sie aber versuchen, einen Kompromiss zu finden. Werden Sie im Betrieb gebraucht und können Sie Ihre geplante Reise aufgrund der Reisebeschränkungen ohnehin nicht antreten, liegen gleiche Interessen vor. Einvernehmlich kann ein genehmigter Urlaub jederzeit wieder aufgehoben werden.

Kann ich Urlaub für die Kinderbetreuung nehmen?

Eine sichere Möglichkeit für Arbeitnehmer, der Arbeit unter Aufrechterhaltung der Gehaltszahlung des Arbeitgebers fernzubleiben, ist es, Urlaub zu nehmen. Dasselbe gilt für den Abbau von Überstunden. Besondere Situationen verlangen aber nach besonderen Lösungen. Suchen Sie deshalb auch hier die gemeinsame Lösung. Ihr Arbeitgeber kann den Urlaub zur Kinderbetreuung nicht erzwingen und umgekehrt gibt es keinen Anspruch auf Urlaub zur Kinderbetreuung.

Hinweis
Die Maßnahmen der Bundesregierung sehen vor, dass Arbeitgeber bei Schul- und Kitaschließungen den Arbeitnehmern den Verdienstausfall erstatten. Die Firmen zahlen das Gehalt weiter und können sich beim Staat einen Erstattungsbetrag zurückholen. Die Regelungen betreffen Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren. Zeitguthaben sind zunächst abzubauen, Urlaub muss aber nicht vorrangig in Anspruch genommen werden.

Gibt es einen Anspruch auf unbezahlten Urlaub wegen der Corona-Krise?

Aus Sorge vor Infektionen und bedingt durch das Erfordernis des sogenannten social distancing überlegen viele Arbeitnehmer, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Das ist gesetzlich nicht geregelt. Häufig enthalten aber Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder der Arbeitsvertrag Regelungen rund um unbezahlte Urlaubstage. Diese können dann einen Anspruch für den Arbeitnehmer begründen. Aber: Selbst wenn es einen solchen Anspruch gibt, sind betriebliche Erfordernisse zu berücksichtigen.

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Ihnen unbezahlten Urlaub zu gewähren. Erzwingen lässt sich also die selbst finanzierte Auszeit vom Job nicht. Genauso kann der Arbeitgeber umgekehrt einen unbezahlten Urlaub nicht anordnen.

Urlaub und Kurzarbeit

In Ihrem Betrieb wurde bereits auf Kurzarbeit umgestellt? Hier stellt sich die Frage, ob Sie dennoch Urlaub nehmen können. Zunächst gilt, dass Sie auch während der Kurzarbeit Urlaub nehmen können. Das wird häufig von Arbeitnehmern auch gewünscht, da sie auf diese Weise Kurzarbeit vermeiden können. Für die Urlaubstage zahlt der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt in der üblichen Höhe, sodass es nicht zu Verdienstkürzungen durch den Bezug von Kurzarbeitergeld kommt. Arbeitnehmer können also Verdienstausfälle durch Kurzarbeit reduzieren, indem sie Urlaub in Anspruch nehmen.

Kann der Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen, um Kurzarbeit zu vermeiden?

In den Urlaub zwingen kann man niemanden, denn aufgrund der aktuellen Coronavirus-Pandemie sieht die Bundesagentur für Arbeit bis zum 31.12.2020 davon ab, die Einbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit einzufordern. Die individuellen Urlaubswünsche oder -planungen der Arbeitnehmer sind in der aktuellen Situation besonders zu schützen, damit es Eltern zum Beispiel möglich bleibt, Urlaubstage für die Betreuung ihrer Kinder zu nutzen. Der Urlaub aus 2020 muss also nicht aufgebraucht werden, bevor die Kurzarbeit startet.

Wenn Sie noch Resturlaub aus 2019 haben, setzen Sie den aber wie gehabt zur Vermeidung von Arbeitsausfällen durch Kurzarbeit ein. Das heißt: Vereinbaren Sie mit Ihrem Arbeitgeber, dass Sie die „alten“ Urlaubsansprüche vor der Kurzarbeit aufbrauchen. Das gilt aber auch nur für die bisher unverplanten Urlaubansprüche. Haben Sie den Resturlaub aus 2019 bereits verplant und beantragt und wurde er von Ihrem Arbeitgeber genehmigt, dann gehen Ihre Urlaubswünsche vor.

Urlaubsansprüche für die Dauer der Kurzarbeit

Kurzarbeit kann bis zu zwölf Monate dauern. Wen Sie anteilig in Kurzarbeit gehen, erwerben Sie anteilige Urlaubsansprüche: Sie haben fünf Wochen Urlaub und arbeiten aufgrund der Kurzarbeit nur noch zwei Tage statt bisher fünf? Dann haben Sie ab Beginn der Kurzarbeit nur noch zehn Tage Urlaub (25 : 5 x 2 = 10). Zwei Arbeitstage pro Woche ergeben zehn Tage Urlaub. Diese zehn Tage brauchen Sie, um auf fünf Wochen Urlaub zu kommen.

Bei Kurzarbeit „Null“, bei der die Arbeitspflicht völlig entfällt, führt dies allerdings zu null Urlaubstagen, sodass während dieser Zeit kein neuer Urlaubsanspruch erworben wird. Der EuGH hat entschieden, dass eine solche Reduzierung auf null Urlaubstage mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Wird zum Beispiel Kurzarbeit „Null“ für drei Monate angeordnet, verlieren Sie ein Viertel Ihres Jahresurlaubs.

Wenn Sie bereits vor Anordnung der Kurzarbeit Ihren gesamten Jahresurlaub genommen haben, müssen Sie nicht „nacharbeiten″, auch wenn Sie dann mehr Urlaubstage hatten, als Ihnen unter Berücksichtigung der durch die Kurzarbeit eintretenden Urlaubskürzung zugestanden hätten.

Die Autorin Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Feldafing, Expertin für Arbeitsrecht und Arbeitszeugnisse sowie Autorin von Fachbüchern zum Thema. Zudem bietet sie Vorträge und Seminare zu arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie zum Arbeitszeugnis an. www.rechtsanwalt-feldafing.com