Aufträge im Namen des Chefs delegieren

Aufträge im Namen des Chefs weitergeben und delegieren
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Aufträge delegieren, Mitarbeiter führen, Weisungen erteilen – all das wird auch im Alltag der Assistenz immer wichtiger. Allerdings: Wie bringen Sie andere dazu, Ihnen zu folgen, ohne hierarchische Macht zu besitzen? Ganz einfach: Verlassen Sie sich auf Ihre Persönlichkeit und auf die Kompetenzen, die Sie ohnehin in Ihrem Job benötigen.

Egal, ob Sie ein eigenes Projekt leiten oder während der Geschäftsreisen Ihrer Führungskraft dafür sorgen, dass alles in seinem Sinne weiterläuft: Beim Delegieren geht es darum, Aufgaben an Kollegen und Kolleginnen zu übertragen, die Einhaltung von Terminen anzumahnen und Ergebnisse einzufordern. Allerdings erfolgt dieses Delegieren, ohne dass Sie die disziplinarische Weisungsbefugnis besitzen, ein eventuelles Fehlverhalten, nicht eingehaltene Zusagen oder Mängel auch zu sanktionieren.

Laterale Führung im Unternehmen

In Fachkreisen ist in solchen Fällen von „lateraler Führung“ die Rede – und die ist weit weniger selten, als man meinen könnte. Tatsächlich gelten die herkömmlichen Führungsprinzipien, die auf Machtgefälle und Sanktionen beruhen, in Zeiten des agilen Projektmanagements, der flachen Hierarchien und junger innovativer Start-ups als überholt. Wer seine Vorstellungen nur mittels Drohungen durchsetzen kann, hat in modernen Unternehmen ein Problem – ganz gleich, ob es sich dabei um Führungskraft oder Assistenz handelt.

Studien fanden zudem heraus, dass auch schon in Unternehmen mit klassisch hierarchischem Aufbau, also vor den Zeiten des „New Work“, laterale Führung gang und gäbe war. Typisch ist die Führung ohne hierarchische Macht beispielsweise in Projektteams, in denen die Projektleitung auf der gleichen Karrierestufe wie die Projektmitarbeiter steht, aber für das Ergebnis verantwortlich ist und damit die Kollegen und Kolleginnen zu einer engagierten Mitarbeit bringen muss.

Wer soll was bis wann erledigen?

Klarheit ist beim Delegieren das A und O. Nur wenn derjenige, der die Aufgabe übernimmt, ganz genau weiß, was von ihm erwartet wird, hat er eine Chance, zur Zufriedenheit aller zu arbeiten. Für Sie bedeutet das, dass Sie bei Ihrem Chef/Ihrer Chefin – oder beim Auftraggeber des Projekts, wenn Sie als Projektleitung delegieren – die Details erfragen müssen.

Auf die Details kommt es an

EVA AUGART

© Eva Augart

verfügt über 20 Jahre Erfahrung als Referentin für Assistentinnen. Sie kennt die Arbeitsprozesse im modernen Office genau.

www.eva-augart.de

 

„An diesem Punkt scheitern die meisten Delegationen“, stellt Eva Augart fest, die als Expertin Unternehmen dabei unterstützt, die Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu verbessern. „Häufig wird die Aufgabe, die delegiert werden soll, nicht ausreichend erklärt. Die Zielsetzung, warum delegiert wird, bleibt unklar und oft wird übersehen, einen Zeitrahmen für die Erledigung der Aufgaben vorzugeben.“ Diese Punkte müssen Sie mit Ihrem Vorgesetzten klären, damit Sie die betreffenden Informationen an die Kollegen, die die Aufgabe ausführen sollen, weitergeben und Fragen beantworten können.

Checkliste für erfolgreiches Delegieren

Eva Augart empfiehlt, sich mit den sogenannten W-Fragen auf eine Delegation vorzubereiten: » Was? – Um welche Aufgabe handelt es sich?

  • Wer? – Welche Person ist fachlich und menschlich geeignet, um mitzuarbeiten?
  • Warum? – Welchen Zweck hat die Aufgabe oder Tätigkeit?
  • Wie? – Welche Details, Vorschriften und Befugnisse sind zu beachten?
  • Womit? – Welche Arbeitsmittel und Unterlagen benötigt der Mitarbeiter?
  • Wann? – Welche Zwischen- und Endtermine gilt es einzuhalten?
  • Welche? – Welche Folgen hat es, wenn die Arbeit nicht korrekt ausgeführt wird?

Letztlich stellen Sie im Vorgespräch ähnliche Fragen zur Auftragsklärung, wenn Sie selbst eine Aufgabe übernehmen sollen. Nun allerdings müssen Sie um eine oder zwei Ecken mehr denken und die Perspektive des Kollegen oder der Kollegin einnehmen, bei denen die Aufgabe letztlich landet. Und die kann von Ihrer eigenen deutlich abweichen.

Worum geht es genau?

Lassen Sie sich exakt beschreiben, welches Ergebnis sich Ihr Chef wünscht. Geht es darum, dass ein bestimmter Arbeitsschritt erledigt wird? Oder soll ein Prozess angestoßen werden? Woran erkennen alle Beteiligten, dass die Aufgabe erledigt und die Qualität der Aufgabenerfüllung ausreichend oder besser ist?

Hier ist Präzision gefragt. Gehen Sie den Anforderungen auf den Grund. Überlegen Sie sich immer, mit welchen Fragen Sie möglicherweise durch die betreffenden Kolleginnen und Kollegen konfrontiert werden – vor allem, wenn Sie eine eher unangenehme Aufgabe übertragen wollen.

Wenn Ihr Chef sich nicht festlegen möchte, machen Sie ihm klar, dass sich eine gute Vorbereitung auszahlt: durch ein passgenaues Ergebnis, durch eine pünktliche Erledigung und vor allem durch weniger Nachfragen während der Arbeit.

Wer soll die Aufgabe übernehmen?

Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Chef, an welchen Kollegen oder an welche Kollegin Sie delegieren sollen. Dabei spielen Kompetenzen natürlich eine große Rolle, aber auch die Frage der freien Kapazitäten. Wenn ein Kollege schon Erfahrungen auf einem Gebiet hat, ist es naheliegend, ihm ähnliche Aufgaben wieder zu übertragen.

Wenn Sie jetzt schon wissen, dass Herr Meier oder Frau Müller völlig überlastet ist, ist es unfair, an sie weitere Aufgaben delegieren zu wollen – nicht nur den Kollegen, sondern auch Ihnen gegenüber. Entweder die Betreffenden lehnen die zusätzliche Arbeit ab oder sie nehmen zwar an, reagieren aber verärgert auf Sie persönlich, weil Sie nun mal diejenige sind, die delegiert. Beides ist problematisch. Sprechen Sie diese Punkte bei Ihrem Chef an und suchen Sie gemeinsam eine Alternative.

Titelbild des sekretaria Magazins Ausgabe Februar 2024Dieser Artikel stammt aus dem sekretaria-Magazin. Wollen Sie mehr über die neuesten Trends im Office erfahren? Dann fordern Sie jetzt Ihr kostenloses Probeexemplar an!

Was Sie für die laterale Führung brauchen

„Absolute Loyalität der Führungskraft gegenüber ist eine wesentliche Voraussetzung, um kompetent zu delegieren“, betont Eva Augart. Schließlich geht es darum, den Chef effektiv zu entlasten und ihn in seinen Aufgaben zu unterstützen.

Darüber hinaus können Sie sich beim Delegieren auf die Soft Skills verlassen, die Sie auch sonst in Ihrem Alltag einsetzen.

PRAXIS-TIPP

Halten Sie schriftlich fest, was Sie wann an wen delegiert haben. So behalten Sie selbst den Überblick und können Termine besser nachhalten

Überzeugungskraft

Warum ist es notwendig, dass diese bestimmte Aufgabe erledigt wird? Diese Frage müssen Sie beantworten (können), wenn Sie delegieren. Nur wenn der Kollege oder die Kollegin von der Sinnhaftigkeit der Tätigkeit überzeugt ist, ist mit einem schnellen und guten Ergebnis zu rechnen.

Stellen Sie im Gespräch den größeren Zusammenhang heraus und arbeiten Sie das gemeinsame Ziel heraus: Die langweilige Übertragung der Zahlen in die Datenbank ist wichtig, weil nur dann die Druckdaten für den Flyer aktualisiert werden können. Und nur wenn das diese Woche geschieht, sind die Flyer bis zu Messe rechtzeitig fertig. Und auf dieser Messe werden nahezu alle Geschäfte für das kommende Jahr vorbereitet oder abgeschlossen. So wird ein einzelner Arbeitsschritt zu einem wesentlichen Rädchen im Getriebe, ohne das nichts läuft! Auf diese Weise schaffen Sie auch ein Verständnis für Zeitpläne und für Ihre Nachfragen, wenn es irgendwo hakt. Solche Zusammenhänge herzustellen, ist besonders wichtig, wenn Aufgaben verschiedene Abteilungen betreffen, die Abläufe nicht allen Beteiligten klar sind und bei Ihnen die Koordination zusammenläuft.

„Wer seiner Führungsrolle gerecht werden will, muss genug Vernunft besitzen, um die Aufgaben den richtigen Leuten zu übertragen, und genügend Selbstdisziplin, um ihnen nicht ins Handwerk zu pfuschen.“

Theodore Roosevelt, (1858–1919), ehemaliger US-amerikanischer Präsident

Kommunikationsfähigkeit und Menschenkenntnis

Um Verständnis für die Aufgabe herzustellen, reicht es aber nicht aus, einfach nur sachlich Fakten herunterzubeten. Geschickte Kommunikation besteht darin, Dialoge zu ermöglichen, die individuellen Interessen und Auffassungen der Beteiligten wahrzunehmen und zu würdigen.

Statt bei einer Aufgabe ein bestimmtes Vorgehen vorzugeben und den Kollegen oder die Kollegin damit zum Befehlsempfänger zu machen, geben Sie besser nur vor, wie das Endergebnis aussehen soll. Und dann fragen Sie nach: Wie plant der Betreffende, das Ziel zu erreichen? Was benötigt er dafür? Wo sieht er Schwierigkeiten?

Wichtig ist, dass Sie als Assistenz sich Ihrer Rolle beim Delegieren bewusst sind. Sie müssen optimal organisieren und strukturiert und vorausschauend planen. Und Sie sollten die Aufgaben an diejenigen Mitarbeiter delegieren, die der Aufgabe tatsächlich gewachsen sind.

Je mehr Sie über die Menschen in Ihrem Umfeld wissen, desto leichter wird es Ihnen fallen, sie zu motivieren und Aufgaben individuell zu delegieren.

Konfliktlösungskompetenz

Wie überall kann es auch beim Delegieren zu Konflikten kommen. „Sie haben mir gar nichts zu sagen“, ist dann unter Umständen noch das Freundlichste, was Sie zu hören bekommen.

Die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, benötigen wir in unserem Job allerdings ständig. Wie bei anderen Auseinandersetzungen auch, geht es beim Delegieren darum, Konfliktpotenzial rechtzeitig zu erkennen, Probleme sachlich anzusprechen, Verständnis zu zeigen, aber auch einzufordern, und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die möglichst allen gerecht werden. Ihr Kollege will eine Aufgabe nicht übernehmen? Dann versuchen Sie die Gründe für die Weigerung herauszufinden.

  • Hat der Kollege oder die Kollegin rein objektiv keine Zeit, um weitere Tätigkeiten in seinem Arbeitsplan unterzubringen? Überlegen Sie, ob Sie die Aufgabe jemand anderem übergeben können. Ist das nicht möglich, versuchen Sie, den Kollegen an anderen Stellen zu entlasten und ihm so Freiraum zu verschaffen.
  • Fühlt sich er oder sie überfordert? Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn eine Überforderung werden die wenigsten zugeben, aber ein deutliches Zögern und viele Nachfragen zu scheinbaren Nebensächlichkeiten können darauf hinweisen. Bieten Sie Unterstützung an – achten Sie dann aber darauf, dass der Kollege die Aufgabe nicht plötzlich wieder an Sie zurückdelegiert.
  • Hat er/sie das Gefühl, die Aufgabe sei sinnlos? Dann ist Ihre Überzeugungsfähigkeit gefragt (siehe oben).
  • Fühlt sich der Kollege gekränkt, weil Sie als Assisstenz ihm nun Aufgaben übertragen sollen? Dann hilft nur ein möglichst diplomatischer Hinweis darauf, dass Sie die Rückendeckung Ihres Chefs haben!

Oft sorgt schon die Tatsache, dass Sie sich ernsthaft mit den Einwänden Ihres Gegenübers auseinandersetzen, für eine deutliche Entspannung der Situation.

Hilfsbereitschaft

Machen Sie dem Kollegen oder der Kollegin deutlich, dass Sie ihm/ihr zur Seite stehen werden, um die Aufgabe zu bewältigen. Allerdings darf Ihre Hilfsbereitschaft nicht dazu führen, dass die Tätigkeit wieder bei Ihnen landet, also eine Rückdelegation stattfindet. Aber liefern Sie rechtzeitig alle notwendigen Informationen und stellen Sie zum Beispiel wichtige Kontakte her. Geben Sie bei Bedarf konkrete Tipps, welches Vorgehen aus Ihrer Sicht sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Aber erledigen Sie die Aufgabe in keinem Fall selbst!

Kontrollieren Sie, wie die Aufgabe erledigt wird

Oft wird vergessen, dass zum Delegieren auch gehört, dass Sie regelmäßig nachfragen, wie der Stand der Dinge ist. Damit laufen Sie aber Gefahr, dass die Vorgaben – inhaltlich oder zeitlich – nicht eingehalten werden.

Erkundigen Sie sich also regelmäßig, wie gut der Kollege oder die Kollegin mit der Aufgabe vorankommt. Bei größeren Vorhaben ist es sinnvoll, Meilensteine zu vereinbaren, um den Prozess unter Kontrolle zu behalten.

Wenn es Schwierigkeiten gibt, können Sie so rechtzeitig eingreifen und Ihren Chef/Ihre Chefin informieren. Denken Sie daran: Er/sie verlässt sich auf Sie. Wenn er/sie Sie damit beauftragt hat, die Aufgabe zu delegieren, sind Sie auch dafür verantwortlich, dass alles reibungslos über die Bühne geht.

Und wenn der Kollege oder die Kollegin sich weigert, von Ihnen Aufträge anzunehmen? Dann hilft im schlimmsten Fall nur, sich auf die „geborgte“ Macht des Chefs zu berufen. Lassen Sie sich also vom Vorgesetzten schriftlich bescheinigen, dass Sie in seinem Namen handeln, und ziehen Sie diese Bescheinigung hervor. Zuvor sollten Sie aber all Ihre Überzeugungskraft und Ihren Charme investiert haben – dieser Schritt ist das letzte Mittel, das zum Einsatz kommen sollte.

Die Autorin Cordula Natusch ist Chefredakteurin des sekretaria-Magazins, freie Texterin und Redakteurin für Unternehmenskommunikation sowie Bloggerin bei www.arbeiten-im-sekretariat.de.
www.redaktion-natusch.de