Der Hund im Büro

Interview mit Markus Beyer vom Bundesverband Bürohund e.V.

Viele Menschen wollen ihren Hund mit ins Büro nehmen. Das ist auch sinnvoll, sagt Markus Beyer, Vorsitzender des Bundesverband Bürohund e.V. Und mit der richtigen Vorbereitung klappt das Zusammenleben im Büro problemlos.

Markus Beyer
© Bundesverband Bürohund e.V.

Markus Beyer
ist Trainer in Berlin für Menschen mit Hund und gründete im Jahr 2014 den Bundesverband Bürohund e.V. Er begleitet als Experte KMUs und Großunternehmen
bei der Integration von Hunden im Büro.

sekretaria Magazin: Herr Beyer, was spricht dafür, Hunde im Büro zuzulassen?

Markus Beyer: Im ersten Moment erschrecken manche Menschen bei dem Gedanken, dass man Haustiere nun auch noch mit ins Büro nehmen soll. Ein Haustier heißt Haustier, weil es nach Hause gehört. Wenn man sich aber mit dem Thema Hund beschäftigt, kommt man schnell zu neuen Einsichten.

Wir in den Industriestaaten haben ein Problem: Wir haben einen rasant wachsenden Anteil von psychischen Erkrankungen, das zeigen die Gesundheitsberichte der Krankenkassen deutlich. Psychische Erkrankungen sind mittlerweile der Hauptgrund für Ausfalltage in den Unternehmen. Also gilt es für jeden Unternehmenslenker, hier gegenzusteuern und eine Lösung zu finden. Der Ausfall eines Mitarbeiters passiert ja nicht von heute auf morgen. Das sind oftmals langjährige Entwicklungen mit psychosomatischen Ausfällen im Vorfeld, mit deutlich weniger Energie für die Belange des Unternehmens. Auch die Fehlerhäufigkeit steigt, weil sich die Mitarbeiter nicht mehr richtig konzentrieren können. Das ist ganz klar auch ein wirtschaftlicher Faktor, den jeder Manager unbedingt im Blick haben muss.

Und wie kommt da jetzt der Hund ins Spiel?

Der Hund hilft auf vier Ebenen, um Mitarbeiter gesund zu halten. Die erste Ebene betrifft das Oxytocin. Das ist das sogenannte Bindungshormon. Oxytocin fährt in unserem Körper die Stresshormone Insulin und Cortisol herunter und stößt gleichzeitig auch das Glückshormon Dopamin an. Insulin und Cortisol sind die Hormone, die im Fall einer chronischen Stresssituation massiv in unserem Körper ausgeschüttet werden – mit allen gesundheitlichen Folgen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass in dem Moment, in dem ich einen Hund ansehe oder streichele, Oxytocin freigesetzt wird.

Der zweite Grund, der für einen Hund im Büro spricht, ist die Unterbrechung. Viele Menschen haben noch im Hinterkopf: „So ein Hund, der unterbricht mich dauernd und stört doch nur.“ In Wirklichkeit ist das ein Vorteil. Ganz viele Menschen sind in einem Automatismus gefangen, alles läuft immer gleich und unbewusst ab. In manchen Fällen – und das wird auch immer mehr – führt dieser unbewusste Ablauf zu chronischem Stress, weil die Angstzentren in unserem Gehirn solche Situationen als gefährlich interpretieren. Unsere Amygdala bereitet unseren Körper dann auf Flucht oder Angriff vor. Das war in Zeiten, in denen jederzeit ein Säbelzahntiger vor uns stehen konnte, auch sinnvoll. Der Körper wird in die Lage versetzt, ganz schnell zu rennen und viel Sauerstoff zu atmen, der Herzschlag erhöht sich und nicht lebensnotwendige Bereiche unseres Körpers wie zum Beispiel auch das Autoimmunsystem werden abgeschaltet. Solche Stresssituationen können wir nur bedingt bewusst steuern, denn dabei handelt es sich um unbewusste Reaktionen des Körpers. An der Stelle kann der Hund durch seine Unterbrechung helfen. Wenn er kommt und mich anstupst, dann kann ich mir selbst einen Anker setzen und sagen: „Das ist ein guter Hinweis, dass ich mal wieder in die Realität und auf den Boden der Tatsachen komme und nicht länger in meiner hektischen Vorstellungswelt bleibe.“

Das dritte Argument ist natürlich die Bewegung. Wir müssen uns bewegen, dafür ist unser Körper vorbereitet. Die Folgen mangelnder Bewegung kennen wir alle. Sitzen ist quasi das neue Rauchen.

Und das vierte ist: Begegnung. Zum einen die Begegnung innerhalb des Unternehmens. Gerade wenn die Stimmung zwischen Abteilungen vielleicht nicht so gut ist, verbindet der Hund, wird zum gemeinsamen Nenner, zum Kommunikationskatalysator. Die Menschen haben ein Thema, über das sie reden können, und stellen plötzlich fest, dass die Leute von der Abteilung da drüben gar nicht so doof sind. „Die haben ja einen Hund“ oder „Die mögen Hunde, das ist ja cool.“ Und zum anderen vertreibt ein Hund natürlich noch die Einsamkeit, die in unserer heutigen Singlegesellschaft viele befällt. Gerade wenn jemand für den Job in eine neue Stadt gezogen ist, kennt er dort zunächst niemanden. In dem Moment, in dem ich mit einem Hund durch die Stadt gehe, komme ich alle 20 Meter mit jemandem ins Gespräch.

Profitiert denn ein Unternehmen über diese gesundheitlichen Vorteile hinaus von der Anwesenheit von Hunden?

Ja. Unternehmen bekommen ein besseres Betriebsklima, weil die Menschen wieder mehr lächeln. Die Empathie im Unternehmen wächst, weil Oxytocin dazu führt, dass wir empathischer werden. Die Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen steigt. Dahinter steckt die Überzeugung: „Unternehmen, die Hunde zulassen, fressen ihre Mitarbeiter nicht.“

Zudem verschaffen sich Unternehmen so einen Vorteil vor den Wettbewerbern im Recruiting. Viele Menschen suchen Jobs, bei denen sie ihren Hund mitbringen können. Und nicht zuletzt ist ein Unternehmenshund ein positiver Imageträger. Ein Foto des Hundes auf den Social-Media-Kanälen des Unternehmens sorgt für immens hohe Klickraten.

Kann denn jetzt einfach jeder seinen Hund mitbringen?

Nein, das Okay des Arbeitgebers ist in jedem Fall erforderlich. Sinnvoll ist, eine feste, schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und den Mitarbeitenden zu treffen, die die Rahmenbedingungen festlegt. Darin kann der Arbeitgeber dann zum Beispiel festlegen „Ich lasse nur Hunde zu und zwar maximal X pro Stockwerk.“ Oder Ähnliches. In solchen Vereinbarungen sind dann auch Regeln enthalten. Woran müssen sich Menschen mit Hund, Menschen ohne Hund und auch die Hunde halten? Welche Sanktionen gibt es, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält? Dann kann den Hundehaltern auch die Genehmigung entzogen werden.

Und was passiert, wenn ein Kollege sagt: „Ein Hund bei mir im Büro? Auf gar keinen Fall. Ich habe eine Hundehaarallergie.“ Oder „Ich habe Angst vor Hunden.“?

Es ist klar, dass Menschen mit einer Hundehaarallergie oder mit Angst vor Hunden geschützt werden müssen. Aber das sind tatsächlich nur sehr wenige. Das Robert-Koch-Institut hat herausgefunden, dass 3,5 Prozent der deutschen erwachsenen Bevölkerung unter tatsächlichen Symptomen aufgrund einer Allergie gegen Hundehaare leidet. Laut Statista haben 3,5 Prozent Angst vor Hunden. Den Schutz, auf den diese Menschen natürlich Anspruch haben, kann ein Unternehmen wieder in einer Vereinbarung regeln. Wenn es baulich möglich ist, kann etwa ein hundefreier Bereich definiert werden: „Im Besprechungsraum 1 darf der Hund mit, im Besprechungsraum 2 nicht.“

Aber: Ein Erkrankungsrisiko ist nicht wichtiger als ein anderes. Wer eine Allergie hat, braucht Schutz. Aber jemand mit einer Burnout-Erkrankung oder einer psychischen Erkrankung hat den gleichen Anspruch auf Hilfe und Unterstützung. Es kann hier also kein Entweder-oder geben, sondern es muss für alle Risiken körperlicher und auch psychischer Gefährdung innerhalb eines Unternehmens eine Lösung gefunden werden.

Kommen wir einmal zum Hund selbst. Welche Eigenschaften muss denn der Hund mitbringen, damit er bürotauglich ist?

Der Fachbegriff, den wir an der Stelle verwenden müssen, ist die sogenannte Sozialverträglichkeit. Ich brauche einen Hund, der Menschen und andere Hunde mag. Das ist nicht rassenabhängig. Vielmehr kommt es auf das Hund-Halter-Verhältnis an. Wenn der Hund Vertrauen in die Situationskompetenz seines Menschen hat, dann ist es egal, wo sich dieses Team aufhält: zu Hause, auf der Wiese oder im Büro. Der Hund vertraut seinem Menschen und dessen Entscheidungen. Das ist das A und O.

Wenn ein Hund kein Vertrauen in seinen Menschen hat, wenn er glaubt, in der Situation drohe Gefahr, weil sich zum Beispiel gerade die Tür öffnet, und der Mensch reagiere nicht richtig, dann übernimmt er die Verantwortung und beginnt möglicherweise zu bellen. Das ist nicht gut, auch nicht für den Hund. Denn der kommt dann auch nicht zur Ruhe. Dann hat der Hund den Stress. Und die Entscheidung, Hunde im Unternehmen zu dulden, darf nicht auf Kosten der Tiere gehen. Noch mal: Entscheidend ist das Hund-Halter-Verhältnis und das kann man trainieren.

Wie sieht denn ein hundegerechtes Büro aus?

Zunächst einmal muss das Büro den arbeitsschutzrechtlichen Bedingungen entsprechen. In einem dunklen Keller ohne Tageslicht fühlt sich auch der Hund nicht wohl. Darüber hinaus ist es gerade bei jüngeren Hunden wichtig, dass giftige Pflanzen nach oben gestellt werden. Dass keine Kabel offen herumliegen. Hunde schnuppern herum und sind neugierig. Textmarker sind hochgiftig für Hunde, die sollten also möglichst nicht herunterfallen.

Der Platz des Hundes sollte idealerweise hinter dem Schreibtisch seines Halters oder seiner Halterin sein, also nicht im Zentrum des Raums, wo sich der Hund vermutlich verantwortlich für die Situation fühlt. Der Hund sollte körperlich hinter dem Menschen liegen, denn das heißt: „Pass auf, Wuff, Mama oder Papa kümmert sich.“ So hat der Hund auch einen Rückzugsort, an dem er nicht gestört wird. Und wenn dann die Kollegin reinkommt und ihn streicheln will, obwohl er gerade schläft, dann ist es auch Aufgabe des Halters oder der Halterin, das zu unterbinden. Dann ist es gut, die Kollegin auf einen späteren Zeitpunkt zu vertrösten, wenn auch der Hund wieder wach und bereit für Menschen ist. Auch der Hund muss beschützt werden.

Das Interview führte Cordula Natusch.

Der Bundesverband Bürohund e.V. bietet eine Seminarreihe für Hundehalter an, die ihren Hund gern in ihr Unternehmen mitnehmen wollen, sowie für Unternehmen, die Bürohunde zulassen wollen. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www. bv-bürohund.de.