Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was ist zu tun?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was ist zu tun?
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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kommt immer wieder vor. Das hat schwerwiegende Folgen für die Opfer, kann aber auch den Unternehmen schaden. Das gilt vor allem für die Arbeitgeber, die nicht wissen, dass sie dazu verpflichtet sind, ihre Beschäftigten aktiv vor sexueller Belästigung zu schützen.

Lesen Sie hier, welche Präventions- und Schutzmaßnahmen Opfer und Arbeitgeber treffen sollten und welche Rechte Betroffene haben.

Sexuelle Belästigung: Wo sind die Grenzen?

Sexuelle Belästigung wird oft mit physischer Gewalt gleichgesetzt, dabei setzt ein sexuell belästigendes Verhalten viel früher ein. Auch die verbalen Belästigungen stellen ein übergriffiges Verhalten dar, auch wenn sie noch immer gern verharmlost werden. Von „man sei überempfindlich“ bis hin zu „es handele sich doch um einen Flirtversuch“ wird hier vieles in die Waagschale geworfen. Dabei gilt: Alles, was ohne das Einverständnis des Betroffenen geschieht, ist ein übergriffiges Verhalten. Flirten funktioniert nur dann, wenn es in beidseitigem Einverständnis geschieht. Ein Verhalten überschreitet vor allem dann die Grenzen, wenn der oder die Betroffene bereits Ablehnung signalisiert hat. Bei einer sexuellen Belästigung handelt es sich folglich um eine unerwünschte Verhaltensweise, die sexualisiert und geschlechtsbezogen ist.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) spricht deshalb in § 3 Absatz 4 von sexueller Belästigung, wenn „[…] ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Bei sexueller Belästigung unterscheidet man zwischen drei Kategorien:

  • verbale (anzügliche Witze, Fragen zum Sexualleben, aufdringliche Kommentare zum Aussehen usw.)
  • nonverbale (aufdringliches Anstarren, anzügliche Blicke, Hinterherpfeifen, unerwünschte E-Mails, Fotos usw. mit sexuellem Bezug)
  • physische (jede unerwünschte Berührung, wiederholte Annäherung, Gewalt in jeder Form)

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Egal was, es ist verboten

Das AGG verbietet jede Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Schon deshalb sind in aller Regel die Arbeitgeber verantwortlich dafür, dass Maßnahmen gegen sexuell belästigendes Verhalten ergriffen werden. Für Polizei und Staatsanwaltschaft liegt die Messlatte hier etwas höher. Strafrechtlich ist es nicht verboten, einer Frau offensichtlich auf den Hintern zu starren; am Arbeitsplatz ist dieses Verhalten aber eindeutig gesetzeswidrig.

Übrigens: Statistisch gesehen sind in nahezu allen bekannten Fällen Frauen die Opfer. Grundsätzlich gilt aber, dass jede Person Opfer sein kann. Das AGG schützt alle Menschen vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Was Opfer tun können

Es gibt keine vergleichbaren Vorfälle von sexueller Belästigung; jeder Fall ist anders, jedes Opfer reagiert anders. Schon deshalb gibt es keine allgemeingültigen Verhaltensweisen. Gerade am Arbeitsplatz haben viele Angst davor, dass sie die Situation falsch einschätzen, dass sie nach einer Beschwerde Nachteile erfahren oder dass man zum zweiten Mal Opfer wird, weil die Kollegen einen bezichtigen, den Täter zu mobben.

Was aber auf jeden Fall in der akuten Situation der Belästigung helfen kann, ist, dem Täter klarzumachen, dass man sich sexuell belästigt fühlt. Dasselbe gilt für die Androhung von Konsequenzen: Beschwerde beim Vorgesetzten bzw. beim Arbeitgeber usw., falls der Täter sein Verhalten fortsetzt. Das kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen.

Das sind Ihre Rechte

Das AGG sieht drei zentrale Rechte vor:

  • Beschwerderecht (§ 13 AGG),
  • Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 AGG) und
  • Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz.

Alle Beschäftigten haben das Recht, im Betrieb bei der zuständigen Stelle Beschwerde einzulegen, wenn sie das Gefühl haben, nach dem AGG benachteiligt worden zu sein. Das gilt selbstverständlich auch für Fälle der sexuellen Belästigung. Wer in Ihrem Betrieb Beschwerdestelle ist? Das muss im Betrieb bekannt gemacht werden (§ 12 Absatz 5 AGG). In Betracht kommen zum Beispiel Dienst- oder Fachvorgesetzte, die Personalabteilung, Gleichstellungsbeauftragte, eine betriebliche Beschwerdestelle, der Betriebsrat usw. Arbeitgeber müssen jede Beschwerde ernst nehmen, prüfen und dafür sorgen, dass belästigendes Verhalten aufhört.

Hinweis

Ab dem ersten Vorfall sollte man dokumentieren, was wann genau passiert ist. Das kann auf Papier oder elektronisch geschehen. Der Firmencomputer ist aber für diesen Zweck ungeeignet.

Wichtig: Dem Beschwerdeführer darf daraus kein Nachteil entstehen, sodass Abmahnungen oder Kündigungen ausgeschlossen sind. Und: Das Opfer hat einen Anspruch auf vorbeugende und unterbindende Schutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber (§ 12 Absatz 1 bis 4 AGG). In jedem Fall muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die sexuelle Belästigung in Zukunft unterbleibt.

Fristen sind keine zu beachten, aber es gilt: je früher, desto besser.

Was geschieht, wenn der Arbeitgeber nichts tut?

Bleibt der Arbeitgeber untätig oder sind seine Maßnahmen ungeeignet, kann man als „letztes Mittel“ nicht mehr zur Arbeit erscheinen, aber dennoch das Gehalt verlangen, damit man nicht weiterhin der sexuellen Belästigung ausgesetzt ist.

Nicht immer ist so einfach erkennbar, was geeignet und was ungeeignet ist. Deshalb sollten Sie sich in jedem Fall anwaltlich beraten lassen, bevor Sie die Arbeit niederlegen, da Sie die Rechtfertigung für eine Arbeitsniederlegung beweisen müssen. Geht das schief, könnte der Arbeitgeber gegebenenfalls kündigen, weil Sie grundlos von der Arbeit ferngeblieben sind.

In manchen Fällen ist der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig und muss zum Beispiel die Arzt- oder Therapiekosten übernehmen oder ein Schmerzensgeld zahlen. Arbeitgeber haften für eine sexuelle Belästigung, die von einem Weisungsbefugten (Vorgesetzte, Personalleitungen, Geschäftsführung usw.) ausgeht. Sie haften aber auch bei sexueller Belästigung durch Kollegen, wenn sie keine Schutzmaßnahmen für das Opfer ergriffen haben.

Achten Sie darauf, dass hier eine sehr kurze Frist läuft. Die Ansprüche müssen innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt des Vorfalls schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden. Zahlt der Arbeitgeber nicht, müssen Betroffene innerhalb von drei weiteren Monaten die Ansprüche beim Arbeitsgericht einklagen. Werden diese zwei Schritte nicht eingehalten, sind die Ansprüche verloren.

Die Autorin Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Feldafing, Expertin für Arbeitsrecht und Arbeitszeugnisse sowie Autorin von Fachbüchern zum Thema. Zudem bietet sie Vorträge und Seminare zu arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie zum Arbeitszeugnis an.